Persönliche Lese- tipps
Robert empfiehlt:
Kaffee und Zigaretten
Kaffee und Zigaretten von Ferdinand von Schirach
Das wohl persönlichste Buch des Autors. Könnte ein gemütlicher Kaffeeplausch sein. Ist es auch, und doch sehr ungemütlich. “Würde & Einsamkeit” könnt es auch heißen. Erstmals gibt es Direktes über den Großvater (Gauleiter und Reichsstadthalter von Wien) zu lesen. Die Einsamkeit aber zieht sich von Beginn an durch dieses schmale Meisterwerk.
Schirach schont sich nicht und berichtet u.a. von seinem Suizidversuch, in der Zeit, als er sich in einem Jesuiteninternat nach dem Tod des Vaters zum sterben einsam fühlte.
Wallace
Wallace von Anselm Oelze
Alfred Russel Wallace hat mit seinen Theorien die Welt auf den Kopf gestellt. Ein anderer aber erntet – mit nicht ganz fairen Mitteln, wie man aus diesem vergnüglich, lehrreichen Roman erfährt – die Lorbeeren. Die berühmte Evolutionstheorie verbinden wir nicht mit Wallace sondern mit Charles Darwin.
Ein Museumsnachtwächter wird auf das Schicksal von Wallace aufmerksam und möchte die Geschichte gerade rücken. Oelze erzählt wunderbar mit beflügelter Phantasie auf den erdigen Schwingen der wissenschaftlichen Realität.
Verzeichnis einiger Verluste
Verzeichnis einiger Verluste von Judith Schalansky
Es ist das schönste Understatement des letzten Jahres. Das erkennt man am schlichten Titel und am aufregend dezenten Äußeren. Denn Judith Schalansky schreibt nicht nur wunderbare Bücher, sie gestaltet auch die Schönsten.
Diesmal lässt sie verschwundene Dinge sprachmächtig und farbig wieder aufleben.
Der ausgestorbene Kaspischen Tiger zB wird noch einmal auflaufen und in einer römischen Arena gegen einen Löwen antreten: Das schildert Schalansky mitreißend und präzise, nicht ohne uns diese Zeit in allen Farben zu schildern.
„Was wäre, wenn?“ Ein Gespräch mit Sieglinde Geisel
Was wäre, wenn? von Peter Bichsel; Sieglinde Geisel
Der Kampa Verlag ist neu und nicht neu. Denn Verleger Daniel Kampa ist ein alter Hase. Mit der Neuausgabe sämtlicher Romane von Simenon hat er für Aufsehen gesorgt und alleine damit könnte man Jahre zubringen. Doch damit nicht genug verlegt er zB. auch Man Booker Preisträgerin Olga Tokarczuk oder den Schotten William Boyd.
Aber vor allem hat er eine wunderschöne Reihe mit Gesprächen aus der Taufe gehoben. Und mit Peter Bichsel, meinem Schweizer Liebling, ein Highlight publiziert. Unbedingt lesen!
Adrian oder: Die unzählbaren Dinge
Adrian oder: Die unzählbaren Dinge von Angelika Stallhofer
Adrian und Anna leben zusammen und beide vom Schreiben. Während Anna aber die Freiheiten eines Schriftstellerlebens genießt, ist Adrian in der Werbebranche gefangen. Gefangen durch die monatlichen Zahlungen für das Heim, in dem sein Vater wohnt, zu dem er alles andere als eine friktionsfreie Beziehung hat.
Aber auch durch den Erfolg, den er hat.
Die Werbefigur, die er erfunden hat, übersiedelt in ein vollautomatisiertes, überwachtes Haus und er weiß nicht, was unheimlicher ist. Das Haus oder seine Verwandlung.
Grenzgänger
Grenzgänger von
Die Autorin von "Trümmerkind" legt nach. Behutsam und unaufgeregt macht Borrmann die frühen 50er spürbar, gibt den schwarz-weiß-Bildern wieder Farbe. Es geht um die 17-jährige Henni und ihre Geschwister. Henni kommt wegen Kaffeeschmuggels in eine Besserungsanstalt, ihre Geschwister, um die sie sich nach dem Tod der Mutter gekümmert hat, müssen deswegen in ein Kinderheim.
Dort stirbt der kleine Matthias. Das Leben ist nicht gerecht, schon gar nicht in den 50ern.
Eine düstere Zeit, aufwühlend beschrieben.
Rückwärtsbuch
Rückwärtsbuch von Beier, Agnes
Entschleunigung. Das Wort der nahen Zukunft. Viele predigen es, eine schreibt es: Agnes Beier! Das Sich finden, das Einander finden, das die richtigen Worte finden, darum kreist die Geschichte rund um Lina und Romed. Der sehr eigene Ton der Erzählerin mischt den Stil mystischer Sagen und persönlich-literarische Traumsequenzen.
eine ganz direkte Ansprache an den Leser macht dieses Buch aus und das berührt. Zumindest mich! Eine Wortmalerin von archaischer Wucht, die aber auch wortzart zu erzählen weiß!
Der Hundertjährige, der zurückkam, um die Welt zu retten
Der Hundertjährige, der zurückkam, um die Welt zu retten von Jonas Jonasson
Ein charmanter Ritt durch die aktuelle Weltgeschichte! Diesmal bekommen es Putin, Merkel, Kim Jong Un und - nicht zuletzt - Präsident Trump mit Alan Karlson, dem 100-Jährigen zu tun.
"Was zum Teufel ... sagte Trump zu seinem Sicherheitsberater A.R. McMaster, der gerade seinen Sicherheitsberater Michael T.
Flynn ersetzt hatte, der sich als Sicherheitsrisiko entpuppt hatte."
Wenn man zum 100-Jährigen greift, ist das höchstens ein Sicherheitsrisiko für die Bauchmuskulatur.
Hörbuch eingelesen von Didi Hallervorden! Empfehlung!
Die Hungrigen und die Satten
Die Hungrigen und die Satten von Timur Vermes
Was nützt alle Politik, ob sie Mauern baut oder "Wir schaffen das" ruft, wenn 150.000 Flüchtlinge sich zu Fuß aufmachen? Eine Idee des jungen Lionel, der schon viel zu lange im größten Lager jenseits der Sahara festsitzt. Als Starmoderatorin Nadeche Hackenbusch das Lager besucht, erkennt er die einmalige Gelegenheit, nutzt die Aufmerksamkeit und macht sich mit 150.
000 Flüchtlingen auf den Weg, begleitet von Kameras. Die Schöne und die Flüchtlinge werden zum Quotenhit. Vermes fängt dort an, wo der Spaß aufhört.
Nachtleuchten
Nachtleuchten von María C. Barbetta
María C. Barbetta hat sich in die deutsche Sprache verliebt und das kann man lesen. Das alleine spricht schon für den neuen Roman. In ihren Geschichten entführt sie uns dennoch in ihre Heimat Argentinien. Genauer nach Buenos Aires, in das Einwanderungsviertel Ballester. Wie sich die Rückkehr von Peron darauf auswirkt, wie sein überraschender Tod und wie politische Spannungen das Land schier zerreißen, davon erzählt sie mit feinem Gespür für die Poesie des Alltags.
Eine Hommage an Argentinien als Einwanderungsland!