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Hawaii

Autor: Cihan Acar

Deutsch
2020 - Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG

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€ 8,99

Inhalt

Kurztext / Annotation
Cihan Acars brisantes Debüt über Heimatlosigkeit und Toleranz in unserer zerrissenen Gesellschaft ist 'ein rauschhafter Trip durch Heilbronn, der den Leser sofort in seinen Bann zieht.' Benedict Wells
Es sind die heißesten Tage im Jahr, Hundstage, die, so glauben manche, schweres Unheil bringen. Kemal Arslan läuft durch Heilbronn, ein Fußballstar, der nach einem Unfall seine Karriere beenden und von vorn anfangen muss. Unbeteiligt steht er auf einer türkischen Hochzeit herum, geht in ein Striplokal und ins Wettbüro, gerät mitten hinein in eine Straßenschlacht zwischen Rechten und Migranten, trifft seine Exfreundin Sina und besucht seine Eltern, die, wie die meisten Türken der Stadt, in Hawaii wohnen, einem Problembezirk mit heruntergekommenen Hochhäusern und rauem Straßenleben, der rein gar nichts mit dem Urlaubsparadies gemeinsam hat. Cihan Acar erzählt von zwei Tagen und drei Nächten eines jungen Mannes, in denen er alle Stadien von Illusion, Sehnsucht und Einsamkeit durchquert. Ein Buch über all die Heimatlosen, Nachtgestalten und Romantiker, die im Dazwischen leben.

Cihan Acar, geboren 1986, studierte Rechtswissenschaften in Heidelberg und lebt in Heilbronn. Er schrieb Bücher über Hip-Hop und über den Istanbuler Fußballclub Galatasaray. Für seinen Debütroman Hawaii erhielt er 2020 den Literaturpreis der Doppelfeld Stiftung.

Textauszug
4

Die Hyänen sah ich wie immer zuerst. Etwas unscharf zwar, weil zwischen ihnen und mir noch ungefähr ein Kilometer Abstand war. Und weil die Luft so komisch flimmerte über dem heißen Asphalt. Aber ich wusste ja eh, wie sie aus der Nähe aussahen.

Jemand hatte sie vor langer Zeit an eine Betonwand gesprüht, ganz am Ende der Straße. Es sind drei Stück, mit gelben Augen und grauem Fell. Sie sehen so gut wie echt aus. Die linke schaut böse in Richtung der Wohnblocks. Die rechte schreit einem mit weit aufgerissenem Maul und spitzen Goldzähnen entgegen. Und die mittlere hat einen abgebissenen Ziegenkopf im Maul, aus dem Blut tropft.

Über dem Bild steht in roten Flammenbuchstaben: Welcome to Hell. Das Hell ist durchgestrichen, direkt daneben steht Hawaii. Warum das Viertel Hawaii heißt, weiß kein Mensch. Manche meinen, die Amis hätten den Namen eingeführt, also die Soldaten, die hier früher stationiert waren. Andere sagen, dass es ironisch gemeint ist, nach dem Motto: Was für eine miese Gegend, sind wir doch mal witzig und benennen sie nach einem Paradies. Aber so richtig weiß es keiner.

Wenn man von der Innenstadt kommt und am Viertel vorbeifährt, sieht man es gar nicht, weil es von Fabriken umgeben ist, die es wie eine Wand abschirmen. Und dahinter gibt es auch nicht wirklich viel zu sehen. Ein paar Wohnblocks, dazwischen enge Gassen, kleine Rasenflächen, Gartenstühle aus Plastik, mehrere kahves, eine Bäckerei, eine Moschee, eine Kirche. Eine kleine, abgeschlossene Welt im Quadrat, mitten im Industriegebiet.

Ich kannte viele Geschichten über das Viertel, schon bevor ich herzog. Mein Onkel hat die richtig wilden Zeiten des Hawaii noch miterlebt, in den Achtzigern und Neunzigern, als man vor lauter Spritzen und Gangs und Müll und Drogenleichen kaum durch die Straßen gehen konnte. So hat er mir das erzählt. Er wurde dann bei ein paar krummen Dingern erwischt und abgeschoben. Das Hawaii ist nicht mehr so gefährlich wie zu seinen Zeiten, aber ab und zu muss man schon aufpassen, dass man nicht an den Falschen gerät. Wenn man sich ein bisschen auskennt, weiß man, wem man lieber aus dem Weg gehen sollte. Und wer sich nicht auskennt, kommt gar nicht erst her. 

Meine Eltern wollten eigentlich auch nicht hierher. Davor lebten wir in einem der vielen Dörfer, die es um Heilbronn herum gibt. Im ganzen Ort gab es außer uns nur zwei andere türkische Familien, aber wir kamen gut zurecht. Dann meldete der Vermieter Eigenbedarf an und wir mussten raus. Auf die Schnelle fand mein Vater nur im Hawaii was Neues.

Als es so weit war, standen wir im Flur versammelt, mein Vater, meine Mutter und ich. Der Umzugswagen war fertig bepackt, die Wohnung leergeräumt, die vielen Bekannten und Nachbarn, die uns geholfen hatten, warteten vor dem Haus darauf, sich von uns zu verabschieden.

Mein Vater musterte meine Mutter und mich mit einem letzten Blick. Ich hielt ihm stand, aber bei meiner Mutter zitterte die Unterlippe. Also machte mein Vater ihr klar, dass es nicht in Frage kam, vor den Leuten zu weinen. Eine einzige Träne von ihr würde ihn für immer als Versager dastehen lassen. Dann riss er die Tür auf und ging voraus. Meine Mutter folgte ihm und blieb stark, dafür weinte ich los wie ein Schlosshund. Ich war ja noch klein.

Inzwischen lief ich mitten auf der Straße, ohne es richtig zu merken. Beides änderte sich, als mich von hinten ein Lkw-_Fahrer halb bewusstlos hupte. Nachdem ich zur Seite gesprungen war, bog der Laster nach rechts ab in den Innenhof vom türkischen Supermarkt. Ich ging nach links auf den Gehweg. Vor der griechischen Kirche war alles ruhig wie immer. An der großen Moschee gleich nebenan war wieder Rambazamba.

Die Leute standen Schlange fürs Freitagsgebet. Es waren so viele, dass drei Reihen von der breiten Eingangstür über die kurze Treppe bis hin zur Straße reichten

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Buchdetails

Titel: Hawaii
Verlag: Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr:2020
Sprache:Deutsch
208 Seiten
ISBN-13: 978-3-446-26683-4

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