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Winterbergs letzte ReiseOverlay E-Book Reader

Winterbergs letzte Reise /
Roman

Autor: Jaroslav Rudiš

Deutsch
2019 - Luchterhand Literaturverlag

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Inhalt

Kurztext / Annotation
Jan Kraus arbeitet als Altenpfleger in Berlin. Geboren ist er in Vimperk, dem früheren Winterberg, im Böhmerwald, seit 1986 lebt er in Deutschland. Unter welchen Umständen er die Tschechoslowakei verlassen hat, das bleibt sein Geheimnis. Und sein Trauma. Kraus begleitet Schwerkranke in den letzten Tagen ihres Lebens. Die Tage, Wochen, Monate, die er mit seinen Patienten verbringt, nennt er 'Überfahrt'. Einer von denen, die er auf der Überfahrt begleiten soll, ist Wenzel Winterberg, geboren 1918 in Liberec, Reichenberg. Als Sudetendeutscher wurde er nach dem Krieg aus der Tschechoslowakei vertrieben. Als Kraus ihn kennenlernt, liegt er gelähmt und abwesend im Bett. Es sind Kraus' Erzählungen aus seiner Heimat Vimperk, die Winterberg aufwecken und ins Leben zurückholen. Doch Winterberg will mehr von Kraus, er will mit ihm eine letzte Reise antreten, auf der Suche nach seiner verlorenen Liebe - eine Reise, die die beiden durch die Geschichte Mitteleuropas führt. Von Berlin nach Sarajevo über Reichenberg, Prag, Wien und Budapest. Denn nicht nur Kraus, auch Winterberg verbirgt ein Geheimnis.

Jaroslav Rudi?, geboren 1972, ist Schriftsteller, Drehbuchautor und Dramatiker. Er studierte Deutsch und Geschichte in Liberec, Zürich und Berlin und arbeitete u.a. als Lehrer und Journalist. Im Luchterhand Literaturverlag erschienen seine aus dem Tschechischen übersetzten Romane »Grand Hotel«, »Die Stille in Prag«, »Vom Ende des Punks in Helsinki« und »Nationalstraße«, bei btb außerdem »Der Himmel unter Berlin«. »Winterbergs letzte Reise«, der erste Roman, den Jaroslav Rudi? auf Deutsch geschrieben hat, wurde 2019 für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert. Für sein Werk wurde er außerdem mit dem Usedomer Literaturpreis, dem Preis der Literaturhäuser sowie dem Chamisso-Preis/Hellerau ausgezeichnet.

Textauszug
VON KÖNIGGRÄTZ NACH SADOWA

»Die Schlacht bei Königgrätz geht durch mein Herz«, sagte Winterberg und schaute aus dem beschlagenen Fenster des Zuges. Er fasste sich so fest an seine Brust, als ob er in seiner Hand nicht nur den grauen dicken Stoff seines alten Wollmantels zerquetschen wollte, sondern auch sein neunundneunzig Jahre altes Herz.

»Die Schlacht bei Königgrätz ist der Anfang von meinem Ende«, erzählte er weiter und schaute durch seine Hornbrille auf die verschneite böhmische Landschaft, die an uns vorbeizog.

Die kleine Bahn fuhr langsam, sie wankte wie ein einsames, verlassenes Schiff ohne Kapitän auf hoher See. Die junge Schaffnerin schaute auf ihr Handy und wankte mit. So wie wir.

»Die Schlacht bei Königgrätz ist der Anfang von allen meinen Katastrophen, der Anfang von allen unseren Katastrophen, wenn man im Zeichen der Schlacht bei Königgrätz geboren wurde, ist man für immer verloren. So bin ich verloren, so ist dieses Land verloren und so sind Sie, lieber Herr Kraus, verloren, ob Sie wollen oder nicht, ja, ja, es gibt kein Entkommen, das kann man nicht so einfach überschienen wie die Alpen. Die Schlacht bei Königgrätz ist wie eine Falle, die wir uns selbst gestellt haben, in die wir uns gelockt haben, in die wir uns freiwillig begeben, die Schlacht bei Königgrätz ist eine tiefe Schlucht, in die wir alle abstürzen, die Schlacht bei Königgrätz greift nach unseren Hälsen, sie drückt an meine Kehle, sie ist wie ein Strick, wie eine Schlinge, die immer enger wird, ja, ja, wie ein Strang, an dem wir uns am Ende alle erhängen, ob wir wollen oder nicht, ja, ja, und Strangleichen sind keine schönen Leichen, wie mein Vater immer sagte«, erzählte Winterberg und schaute weiter aus dem Fenster.

»Sehen Sie, Herr Kraus, die Wildschweine dort am Waldrand, sind sie nicht schön, man möchte sie gleich malen. Früher habe ich sehr gern gemalt, vor allem die ruhigen winterlichen Landschaften, so wie diese, doch auch die Wildschweine sind verloren, ja, ja, die Schlacht bei Königgrätz ist eine wuchernde Cornus sanguinea.«

Winterberg erzählte, und ich schaute den Tieren am Waldrand nach.

»Damals eine halbe Million Soldaten, heute eine halbe Million Geister, man muss es sich nur vorstellen können, ich stelle es mir vor, ja, ja, ich schaue historisch durch, ja, ja, ich bin historisch nicht blind, mir ist egal, wie Sie dazu stehen, lieber Herr Kraus, ob Sie sich das vorstellen können oder wollen. Die Schlacht ist da, und wir sind da auch.«

»Das waren Rehe.«

»Was?«

»Dort am Wald. Es waren keine Wildschweine.«

»Genau, Wildschweine, sage ich doch.«

»Es waren aber Rehe.«

»Genau, genau, Rehe und Wildschweine und Hirsche und Füchse und Menschen und Häuser und Felder und Wälder und die winterlichen Landschaften und die malerischen Aussichten, alles ist verloren, traurig, traurig. Mein Großvater war Jäger, und er sagte, die Tiere zu töten sei nicht gut, doch wenn du schon ein Tier töten musst, dann tu es schnell, ja, ja, doch die Schlacht bei Königgrätz tötet nicht schnell, die Schlacht bei Königgrätz kennt keine Gnade, die Schlacht bei Königgrätz ist unser tiefster Abgrund, die Schlacht bei Königgrätz ist unser Untergang, und das schon über hundertsechzig Jahre. Warum schauen Sie historisch nicht durch, lieber Herr Kraus? Sie sollten endlich etwas über Geschichte lesen, dann würden Sie verstehen, dann würden Sie mich verstehen, so wie mich der Engländer und meine Lenka verstanden haben, dann würden Sie wissen und verstehen, was ich mit Cornus sanguinea meine. Sie würden mich nicht so dumm anschauen und schweigen.«

»Das waren Rehe.«

Winterberg hustete ein wenig.

»Rehe?«

»Ja, Rehe. Die Tiere vorhin. Eine ganze Herde Rehe.«

Er hustete immer noch. Ich reichte ihm die Wasserflasche. Er wollte nicht trinken.

»Was für Rehe denn?«

»Egal.«

Er schaute mich ernst an. Dann schaute er die Schaffn

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Buchdetails

Titel: Winterbergs letzte Reise
Untertitel:Roman
Autor:Jaroslav Rudiš
Verlag: Luchterhand Literaturverlag
Erscheinungsjahr:2019
Sprache:Deutsch
544 Seiten
ISBN-13: 978-3-641-23126-2

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