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Im Detail

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Ferne Gestade /
Roman. Nobelpreis für Literatur 2021

Autor: Abdulrazak Gurnah

Übersetzt von: Thomas Brückner
Deutsch
2022 - Penguin Verlag

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Inhalt

Kurztext / Annotation
Entdecken Sie eine weitere Facette des vielschichtigen Werks von Nobelpreisträger Abdulrazak Gurnah: Die verschlungene Lebens- und Fluchtgeschichte zweier Menschen aus Sansibar - ergreifend, zeitlos und so wahrhaftig wie das Leben selbst
Es ist ein später Novembernachmittag, als Saleh Omar auf dem Flughafen Gatwick landet. In einer kleinen Tasche, dem einzigen Gepäck, das der Mann aus Sansibar bei sich trägt, liegt sein wertvollster Besitz: eine Mahagonischachtel mit Weihrauch. Eben noch war Omar Inhaber eines Geschäftes, er besaß ein Haus, war Ehemann und Vater. Jetzt ist er ein Asylbewerber, und Schweigen ist sein einziger Schutz. Während Omar von einem Beamten ins Verhör genommen wird, lebt nicht weit entfernt, zurückgezogen in seiner Londoner Wohnung, Latif Mahmud. Auch er stammt aus Sansibar, hatte jedoch bei der Flucht aus seiner Heimat einst den Weg über den »sozialistischen Bruderstaat« DDR gewählt. Als Mahmud und Omar Jahre später in einem englischen Küstenort aufeinandertreffen, entrollt sich beider Vergangenheit: eine Geschichte von Liebe und Verrat, von Verführung und Besessenheit, und von Menschen, die inmitten unserer wechselvollen Zeit Sicherheit und Halt suchen. Ein differenzierter Blick auf die Themen Exil und Erinnerung, so bewegend wie meisterhaft erzählt.

Im Original 2002 erschienen, wurde »Ferne Gestade« für den Booker-Preis nominiert. Jetzt liegt der Roman erstmals wieder in der Übersetzung von Thomas Brückner auf Deutsch vor, durchgesehen und mit einem erläuternden Glossar.

»Von den ersten Zeilen an weiß man, dass man sich in den Händen eines echten Schriftstellers befindet, eines Menschen, der etwas über die Welt zu sagen hat.« The Observer

Abdulrazak Gurnah (geb. 1948 im Sultanat Sansibar) wurde 2021 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. Er hat bislang zehn Romane veröffentlicht, darunter »Paradise« (1994; dt. »Das verlorene Paradies«; nominiert für den Booker Prize), »By the Sea« (2001; »Ferne Gestade«; nominiert für den Booker Prize und den Los Angeles Times Book Award), »Desertion« (2006; dt. »Die Abtrünnigen«; nominiert für den Commonwealth Writers' Prize) und »Afterlives« (2020; dt. »Nachleben«; nominiert für den Walter Scott Prize und den Orwell Prize for Fiction). Gurnah ist Professor emeritus für englische und postkoloniale Literatur an der University of Kent. Er lebt in Canterbury. Seine Werke erscheinen auf Deutsch im Penguin Verlag.

Textauszug
LATIF

3

Auf der Straße hat mich einer »grinsender Schwarzamohr« genannt, als spräche er aus einer anderen Zeit heraus. Grinsender Schwarzamohr. Stellen Sie sich das einmal bildlich vor. Ich war auf dem Weg von der U-Bahn zur Arbeit, ein wenig in Eile, weil ich das kleine Schauspiel mag, die Station mit diesem entschlossenen und zielstrebigen Schritt zu verlassen, den nur ein verbindliches Ziel zu verleihen vermag. Gleichzeitig aber beeilte ich mich auch aus der gewohnheitsmäßigen Angst heraus, dass ich zu spät kommen könnte. Ich schaue oft auf die Uhr, aber an diesem Morgen trug ich gar keine. Vor ein paar Monaten war mir das Armband kaputtgegangen, und ich war noch nicht dazu gekommen, mir ein neues zu besorgen. Das führte dazu, dass ich mir ohne Uhr noch mehr Sorgen machte als mit und mir immer einbildete, spät dran zu sein, auch wenn ich gut in der Zeit lag. Ich weiß nicht, woher das kommt, dass ich mir wegen der Zeit solche Sorgen mache. Es ist irgendwie ungesund. Trotzdem mache ich mir immer ziemliche Sorgen und hasse es, zu spät zu kommen, hetzen und mich beeilen zu müssen, jemanden zu enttäuschen und mich entschuldigen zu müssen.

Da war ich also, ging zur Arbeit, war ein bisschen unruhig, aber nicht über Gebühr, in meinem Kopf schäumte der gewöhnliche Unsinn, Arbeit, unausgesprochenes Bedauern, vernachlässigte Pflichten, und ich lief an der Nordseite des Bedford Square von der Tottenham Court Road hinüber zur Malet Street. Ich musste einen Schlenker machen, um einem Mann aus dem Weg zu gehen, von dem ich eigentlich erwartet hatte, dass er auch ein wenig Platz machen würde, als wir auf dem Bürgersteig aufeinander zugingen. Eigentlich hatte ich es gar nicht bewusst wahrgenommen, dass er auf mich zukam, es lediglich irgendwie gemerkt und mich darauf vorbereitet, ein wenig zur Seite zu gehen. Wie sich herausstellte, machte er mir keineswegs Platz, und so musste ich ihm etwas stärker ausweichen, als ich zunächst gedacht hatte. Ich nehme an, dass ich ein bisschen übertrieben, die Schultern hochgezogen und einen leichten Seitschritt vollführt habe, so wie sie in einigen der albernen Gesellschaftstänze vorgeschrieben sind, die wir uns als Jugendliche zu Hause im Land der Geburt aus Büchern anzueignen suchten. Dann, als ich fast schon an ihm vorbei war, hörte ich, wie er zischte - »sssssssssss« - ein seltsames, bedrohliches und altertümliches Geräusch, wenn man, wie ich, nicht daran gewöhnt ist. Ohne mich umzudrehen, sah ich mir den Mann, an dem ich vorübergegangen war, ohne ihn recht wahrzunehmen, im Geiste noch einmal an. Als ich ihn dann noch einmal wirklich betrachtete, sah ich, dass es sich um einen älteren Mann in einem schweren und teuren schwarzen Mantel handelte, nicht sonderlich groß, die Schultern leicht eingefallen. Ein Zischen. Ein Zischen aus einer längst vergangenen Zeit. Und dann sagte er: »Du grinsender Schwarzamohr.«

Ich war mir nicht einmal bewusst, dass ich grinste, aber ich grinste tatsächlich, als er das gesagt hatte und ich mich umdrehte, um mir den Klugscheißer genauer anzusehen. Er sah aus wie einer dieser geschniegelten Engländer, die man aus britischen Filmen der Fünfzigerjahre kennt, ein Bankangestellter oder Beamter aus dieser Ära der Kinematografie, von einer Zwangslage der Tugendhaftigkeit gepeinigt, aus der er sich nicht befreien konnte, finster und feist, der jetzt, nachdem wir aneinander vorbei waren, weiterging, mit dem absichtsvollen Regenschirmschritt des dem Untergang geweihten Helden. Du glinsender Schwarzamohr. Doch ich will mich nicht lustig machen. Vielleicht machte er eine Krise durch und dachte an Selbstentleibung, und sein hasserfülltes Zischen war in Wirklichkeit ein Hilfeschrei im Tarngewand dieser angestaubten Beleidigung. Welch seltsames Wort, dieses Schwarzamohr. Das a zwischen »schwarz« und »Mohr« störte mich sofort, und Gewohnheit oder Ausbildung ließen mich augenblicklich darüber grübe

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Buchdetails

Titel: Ferne Gestade
Untertitel:Roman. Nobelpreis für Literatur 2021
Untertitel:Übersetzt von: Thomas Brückner
Autor:Abdulrazak Gurnah
Verlag: Penguin Verlag
Erscheinungsjahr:2022
Sprache:Deutsch
416 Seiten
ISBN-13: 978-3-641-29442-7

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